Das aktuelle deutsche Personenstandsgesetz (PStG) beinhaltet mit dem § 45 b seit dem 18. Dezember 2018 die Möglichkeit, eine Änderung des Geschlechtseintrags im Geburtenregister vorzunehmen. Neben dem Offenlassen/Löschen des Eintrags (x) sind die Optionen weiblich (w), männlich (m) oder divers (d) vorgesehen. Die Änderung, wenn gewünscht inklusive Vornamen, ist allerdings an das Vorlegen einer ärztlichen Bescheinigung gebunden, die eine “Variante der Geschlechtsentwicklung” bestätigt – eine Bedingung, die als Einschränkung des Rechts auf geschlechtliche Selbstbestimmung und als verfassungswidrig kritisiert wird, da sie hinter die Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 zurückfällt, der gemäß die Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen maßgeblich vom „eigenen Identitätsempfinden“ (1 BvR 2019/16 <16>) abhängt und „von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt wird“ (1 BvR 2019/16 <9>).
Nichtsdestotrotz eröffnet das Gesetz klar definierte Prozeduren, wie die Änderung des Geschlechtseintrags aufgrund von Variationen der Geschlechtsentwicklung standesamtlich zu vollziehen sei, und beinhaltet Auslegungsspielräume. Beides wird in einem Ratgeber des LSVD für Antragsteller*innen und Ärzt*innen und ausführlicher in einem Artikel von Manfred Bruns, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a. D. (StaZ_A19_005; verfügbar über die Website des LSVD) für Standessbeamt*innen erläutert. Es sind diese Auslegungsspielräume, die mit der Reform des Gesetzes eine dritte Option, nicht etwa ein drittes Geschlecht einführen. Wie OII (Organization Intersex International) betont: „Inter* ist kein ‚Drittes Geschlecht’. Die körperlichen Realitäten von Menschen mit angeborenen Variationen der Geschlechtsmerkmale sind so vielfältig, dass sie nicht einfach in eine dritte Kategorie subsumiert werden können.“ (https://oiigermany.org/) Zudem lassen sich keine klaren Grenzlinien zwischen Inter*-, Trans*- und weiteren Personen ziehen, die sich nicht-binärgeschlechtlich verstehen, ziehen.
Damit wandelt sich, und hierin liegt das radikale gesellschaftspolitische Versprechen, die gesetzlich verordnete Zweigeschlechtlichkeit von einem Muss zu einem Kann. Diese grundlegende Veränderung zu unterstützen, zum Beispiel durch geschlechtsneutrale oder geschlechter-vielfältige Sprache in den Medien und Alltagskommunikation, die Überarbeitung von Formularen, Erziehung- und Bildungsinitiativen, Personalpolitik, das lange überfällige Verbot uneingewilligter geschlechtsverändernder Eingriffe durch die Medizin, durch ärztliche Bescheinigungen sowie ein undogmatisches Nutzen des PStG § 45 b liegt in unser aller Macht. Die Veränderung der Zwei-Geschlechter-Norm ist weder ein Papiertiger noch eine Spezialinteresse von Inter*- und Trans*-Personen oder denjenigen, die sich nicht zweigeschlechtlich identifizieren, sondern entsteht aus breit gefächerter gelebter Praxis all derjenigen, die Geschlecht als Zwang ablehnen.
Antke_Antek Engel (Juni 2019)