report (in German) about a talk by Dr. Antke A. Engel
at the national assembly of autonomous student chapters (AStA),
Fr. May 25, 2024 11:30-13:00 Akademie Waldschlösschen, Göttingen
Im Vortrag „Safer Spaces, Queerversität und trans*versale Gerechtigkeit“ hat Drx Antke A. Engel das Konzept der Queerversity (Engel 2013; Engel 2021) als ein Prinzip vorgestellt, das Handlungsorientierung sowohl für die interne Arbeit der Queer-Referate als auch in die Hochschulpolitik und breitere Öffentlichkeiten hinein ermöglicht. Queerversität wurde als eine queer-theoretisch informierte Variante der Diversitätspolitik erklärt. Sie ermöglicht eine verstärkte Aufmerksamkeit für Machtverhältnisse und arbeitet mit einem komplexen Verständnis von Differenz, das neben Klassifikationen auch Vielheit (Multiplizität), Vieldeutigkeit (Ambiguität) und die Andersheit des anderen (Alterität) ernst nimmt. Queerversität erweitert damit intersektionales Differenzdenken und verbindet dieses, wie Engel erklärte, mit einer Orientierung an so genannter „trans*versaler Gerechtigkeit“.
Für die konkrete Frage des Vortrags, in welcher Weise Queer-Referate Safer Spaces bereitstellen und/oder ob dies Braver Spaces (Debus/Saadi 2021) sein sollten, eröffnet trans*versale Gerechtigkeit eine besondere Perspektive: Statt Ausrichtung an den Rechten definierter Gruppierungen (LSBTIA+) geht es um dynamische, situations- und kontextspezifische Aushandlung unterschiedlicher Bedürfnisse und Wünsche aller, unter der Berücksichtigung von struktureller Diskriminierung, Privilegiensystemen, begrenzten Ressourcen, Konkurrenz und besonderen biographischen Erfahrungen. Transversal bedeutet, dass diese Aspekte im sozialen Miteinander permanent „durchquert“ werden und keine absolute, dauerhafte Antwort finden können. Damit trägt trans*versale Gerechtigkeit dazu bei, die Frage nach safer spaces zu verschieben. Diese lautet nicht mehr: „Wer hat Zugang zum Raum?“ (Türpolitiken), sondern: „Wie gestalten sich Kommunikations- und Umgangsweisen im Raum? (partizipative Aushandlung). Im Vortrag wurden einige Ansätze und Methoden vorgestellt, wie Gruppen sich auf gemeinsame Ziele sowie Kommunikations- und Umgangsformen einigen und deren Umsetzung fördern können.
Im dritten Teil des Vortrages wurde der Schritt zur Gestaltung von bzw. Intervention in Hochschulpolitik und allgemeine Öffentlichkeit durch die Queer-Referate vollzogen. Auch hier ging es darum, die Potenziale einer an trans*versaler Gerechtigkeit orientierten Queerversität auzuloten. Zentraler Punkt war deutlich zu machen, dass von queer-politischer Seite nicht einfach Minderheitenpolitik gemacht wird, schon gar nicht mit einer enggeführten Ausrichtung auf Geschlechter- und Sexualitätspolitiken. Schon lange werden diese aus intersektionaler Perspektive als integral verflochten mit weiteren Differenzmerkmalen verstanden. Queerversität erlaubt es darüber hinaus zu zeigen, dass queere Politiken eigene Beiträge für ein an übergreifenden gesellschaftspolitischen und planetarischen (z.B. ökologischen und klimapolitischen) Interessen orientiertes Gerechtigkeitsverständnis leisten können.
Der Vortrag war interaktiv gestaltet und beinhaltete drei Blöcke von Murmelrunden und Plenumsdiskussionen, bei denen die Teilnehmenden ihre Perspektiven und Erfahrungen einbringen konnten. Insbesondere hinsichtlich der Frage nach der Gestaltung der Safer/Braver Spaces wurden im gemeinsamen Gespräch vielfältige Herangehensweisen ausgetauscht, die sowohl für interne Arbeitsweisen als auch öffentliche Veranstaltung von Nutzen sein können (z.B. Transparenz über Ziele, Codes of Conduct, Awarenessteams…). Es entstand eine lebhafte Debatte darüber, wie in produktiver Weise mit Situationen umgegangen werden kann, in denen das Gruppengeschehen oder öffentliche Veranstaltungen gezielt von Einzelnen gestört oder untergraben werden. Ähnlich wie beim Umgang mit diskriminierenden oder verletzenden Äußerungen wurde hier diskutiert, welche Bedeutung es haben kann, die Aufmerksamkeit von den Einzelnen fort auf das Gruppengeschehen zu lenken, bzw. in welchem Maße es darum geht, individuelle Verantwortung einzufordern.
Durchgehend wurde in allen Diskussionsblöcken von Seiten der Teilnehmenden verdeutlicht, dass sie a) ein breites Spektrum unterschiedlicher Queer-Verständnisse vertreten, dass sich b) LSBTIA+ und queere Politiken eher mit Reibungen ergänzen, als dass sie sich ausschließen würden und dass c) in vielfältigen geschlechtlichen und sexuellen Lebensweisen ein Potenzial gesehen wird, das allgemeingesellschaftliche Relevanz entfalten kann und sollte. Engel ergänzte dies durch den Verweis auf eine spiralförmige Dynamik von Queerness und Queering, durch die Dualismen permanent durchkreuzt, aber nicht negiert werden. Ein solches, durch Trans Studies inspiriertes Geschlechterverständnis, das Transitionen als lebenslange Erfahrungen aller Menschen in den Vordergrund rückt, kann unter der Überschrift trans*versaler Gerechtigkeit in sämtliche Lebensbereiche übertragen werden, in den Dualismen angefochten werden müssen, weil sie Grenzziehungen, Ausschlüssen und Hierarchiebildungen beitragen.
27.05.2024 Antke A. Engel