Queer und der Menschenrechtsdiskurs
– eine skeptische annäherung mit blick auf transgender- und intersex-politiken

veranstaltungsreihe, hamburg, oktober 2006 – märz 2007

Eine Kooperation mit der AG 1-0-1 intersex (Berlin), der AG Queer Studies der Uni Hamburg und den Geschlechtermultiplikator_innen (Bremen).

Ähnlich wie in den feministischen Frauenbewegungen wird auch in LGBTIQ*-Bewegungen um Menschenrechte gekämpft. Informelle Gruppen, internationale Organisationen und Aktivist*innen des Südens formulieren „sexuelle Menschenrechte“ und bedienen sich des Begriffs der Würde und des Rechtsanspruchs auf sexuelle Freiheit und Integrität. Zugleich hat sich Kritik am Menschenrechtsdiskurs als Ausdruck westlicher Werte, eurozentristischer Dominanz sowie eines normativ-männlichen Verständnisses vom „Menschen“ entwickelt. Diese Kritik hat vor dem Hintergrund der Queer Theory an Schärfe gewonnen. Sollte deshalb auf den Menschenrechtsdiskurs verzichtet werden? Oder bietet dieser dennoch besondere Möglichkeiten, Verletzungen und Gewalt anzuklagen und zu bekämpfen?

Transgender und Intersexualität. Politische Allianzen und Kontroversen

Uni-HH Gender Projekt Seminar (WiSe 06/07)

Ulrike Klöppel (Dipl. Psychologin, Wissenschaftliche MA Medizingeschichte Charité Berlin)
Ulrike Hennecke (Dipl. Kulturwissenschaftlerin)

Das Seminar geht der Geschichte der Transgender- und Intersex-Bewegungen in Deutschland nach, die noch nicht viel älter als ein Jahrzehnt ist. Wenn auch die deutschen Intersex- und Transgender-Initiativen ein Vorbild in den bereits ein paar Jahre früher entstandenen us-amerikanischen Bewegungen hatten, zeigen sich doch bei näherer Beschäftigung mit ihrer Geschichte einige Unterschiede. Gefragt wird daher nach den speziellen Anliegen und den Kontexten der deutschen Bewegungen. Welche gesellschaftliche und/oder politische Situation problematisieren und reflektieren sie? Wenn auch weder die Intersex- noch die Transgender-Bewegung in sich einheitlich sind, so lassen sich doch zwei zentrale Bezugspunkte, die in unterschiedlichem Maße in beiden Bewegungen eine Rolle spielen, ausmachen: einerseits konstruktivistische feministische und queer-Theorien, welche die Naturgegebenheit der Zweigeschlechtlichkeit infragestellen, sowie andererseits medizinkritische Ansätze, welche bevormundende und normative sexualmedizinische Praktiken anprangern. Beide Bewegungen zeichnen sich weiterhin dadurch aus, dass einige ihrer Akteur_Innen die ihnen abverlangte Positionierung im System der Zweigeschlechtlichkeit ganz konkret unterlaufen: Provokant eignen sie sich mit ihren „nicht-passenden“ Identitäten einen Raum zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht an, der von der Medizin als „pathologisch“ verworfen wird. Geschlechtliche Vielfalt zeigt sich hier nicht nur als eine politische Vision, sondern als lebbar und lebendig.

Queere Theorie, aktivistische Bewegungen und der Menschenrechtsdiskurs

Uni-HH Gender Projekt Seminar (WiSe 06/07)

Antke Engel (Dr. Phil., Institut für Queer Theory)

In diesem Seminar soll es darum gehen, wie a) aus queer theoretischer Perspektive und b) im Kontext queerer politischer Kämpfe auf den Menschenrechtsdiskurs Bezug genommen wird und welche kontroversen Diskussionen dies entfacht. Ähnlich wie in den feministischen Frauenbewegungen wird auch in lesbisch-schwulen-bi-trans-intersex-Bewegungen um Menschenrechte gekämpft. Informelle Gruppen, internationale Organisationen und nicht zuletzt auch AktivistInnen des Südens formulieren „sexuelle Menschenrechte“ und bedienen sich der Begriffe der Würde und des Rechts auf sexuelle Freiheit und Integrität. Zugleich hat sich tiefgreifende Kritik am Menschenrechtsdiskurs als Ausdruck westlicher Werte, eurozentristischer Dominanz sowie eines normativ-männlichen Verständnis vom „Menschen“ entwickelt. Diese Kritik hat auf dem Hintergrund der Queer Theory an Schärfe gewonnen, denn Identitätsbegriffe, Kategorisierungen und Verallgemeinerungen, die für den Menschenrechtsdiskurs charakteristisch sind, werden aus queerer Perspektive als herrschaftsförmig kritisiert. Sollte deshalb auf den Menschenrechtsdiskurs verzichtet werden? Oder bietet dieser dennoch besondere Möglichkeiten, Verletzungen und Gewalt anzuklagen und zu bekämpfen?

Diese Fragen sollen im Hinblick auf das Thema Intersexualität und die Ausstellung „1-0-1 intersex. Das Zwei-Geschlechter-System als Menschenrechtsverletzung“, die im letzten Jahr in Berlin lief und 2007 nach Hamburg und Bremen kommen soll, diskutiert werden. Im Anschluss an einen theoretischen Einführungsteil wird das Seminar als ein Projektseminar darauf ausgerichtet sein, mit der Seminargruppe einen öffentlichen Wochenendworkshop zur Ausstellung zu planen, auf dem die Menschenrechtsfrage aus queerer Perspektive bearbeitet werden kann.

Visualisierungsstrategien:
Potenziale und Konfliktfelder von Intersex und Transgender

Ulrike Hennecke und Ulrike Klöppel
Mi 01.11.2006, 19.00, Von-Melle-Park 6, Hörsaal F, Universität Hamburg
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“

Ein wichtiges Element der Transgender- und Intersex-Bewegung sind Filme und Dokumentationen. Sie dienen nicht nur der Aufklärung eines breiten Publikums über die Hintergründe und Anliegen der jeweiligen Bewegung, sondern werden auch zur politischen Intervention in dominante Repräsentationen von Geschlecht genutzt. In beiderlei Hinsicht sind sie auch ein Medium der Formierung der Bewegungen und der Selbstverständigung über die Ziele. Anhand von Beispielen aus narrativen und dokumentarischen Filmproduktionen zu Intersex und Transgender werden im Vortrag solche Fragen zu politischen Inhalten mit einer Analyse der filmischen Umsetzungen verbunden. Der Vortrag beleuchtet unterschiedliche Ansätze der Filmschaffenden und Aktivist_Innen sowie grundsätzliche Schwierigkeiten und Potenziale der Repräsentation von Intersex und Transgender im Kontext der jeweiligen Bewegung.

‚The Subject‘ and the Politics of Philosophy in Feminist Theory

Tuija Pulkkinen (Philosophin und Professorin für Women’s Studies,
Universität Jyväskylä, Finnland)
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“
Fr 01.12.2006, 19.00, Von-Melle-Park 6, Hörsaal F, Universität Hamburg

The theme of „the subject“ has kept its central place in feminist theory for a while, and it shows no signs of disappearing. In multiple meanings, contexts and contents the term „subject“ has appeared, disappeared, and reappeared in the exchange of texts. This paper explores these multiple meanings through an analysis of the politics of philosophy at play in Adriana Cavarero’s recent book, For More than One Voice, which is contrasted to the politics played by Judith Butler in her work on the subject. I suggest that tricky politics are performed by these two contemporary thinkers. I would observe that, paradoxically, Butler, who incessantly talks of „the subject“, plays the politics of erasing the notion of „the human subject“ in philosophy, whereas Cavarero, who fervently denounces the notion, is taking part in the politics of the return of the Subject to philosophy.

Bis hierhin und nicht weiter? Intersex- und Transgenderbewegung im Dialog

Jannik Franzen, InsAKrominga, Moderation: Ulrike Klöppel
Mi 10. 01.2007, 19.00 Von-Melle-Park 6, Hörsaal F, Universität Hamburg
Vortrag / Gespräch im Rahmen der Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“

Die Intersex- wie auch die Transgenderbewegung artikulieren Anliegen von Menschen, deren Erfahrungen, Lebensweisen und Körper sich nicht in die zweigeschlechtliche Gesellschaftsordnung einfügen. Beide Bewegungen  üben Kritik am Zweigeschlechtersystem und nehmen kritische Positionen zur medizinisch-psychologischen Geschlechternormierung ein. Dennoch ergeben sich zwischen Intersex- und Transgenderbewegung immer wieder Konflikte, die politischen Bündnissen und Kooperationen im Wege stehen. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und Zusammenarbeit u.a. im Transgender-Netzwerk Berlin sowie in der AG TransInterGenderSex möchten wir über Möglichkeiten und Grenzen von Bündnissen diskutieren.

Unsere Diskussion wird die jeweiligen Geschichten und Hintergründe der Bewegungen und ihre unterschiedliche gesellschaftliche und mediale Sichtbarkeit thematisieren. Insbesondere werden wir die unterschiedlichen Positionen zur Medizin, Psychologie und allgemein zu den Biowissenschaften reflektieren. In diesem Zusammenhang fragen wir nach den verschiedenartigen Auswirkungen des normativen medizinisch-psychologischen wie gesellschaftlichen Blicks für Intersex- sowie Transgender-Erfahrungen sowie nach den Konzepten und Anliegen von Selbsthilfegruppen im Unterschied zu politischen Bewegungen.