Sexual Politics, Torture, and Secular Time

Vortrag, 18. Mai 2007, Audimax der Universität Hamburg

Sexualpolitiken sind ein kontroverses Feld gesellschaftlicher Auseinandersetzungen – Abtreibungsrecht, HIV/Aids-Prävention, das Adoptionsrecht für Lesben und Schwule, Drag King Shows, die so genannten Homo-Mahnmale in Wien und Berlin oder die Kritik der Intersexualitätsbehandlung als Menschenrechtsverletzung können als aktuelle Beispiele gelten.

Der Vortrag der US-amerikanischen Philosophin und Gender/Queer Theoretikerin Judith Butler (UC Berkeley) am 18. Mai in Hamburg eröffnet unter dem Titel „Sexual Politics, Torture, and Secular Time“ einen weiteren brisanten Zusammenhang, nämlich die Verschränkung von Sexualpolitiken und Migrationspolitiken bzw. von heterosexueller Normativität, antimuslimischem Rassismus, globaler Sicherheitspolitik.
Die westlichen Gesellschaften der Gegenwart sind, so Butlers These, von einem Fortschrittsmodell geprägt, dass die säkulare Variante einer Zivilisierungsmission darstellt, die nicht unbedingt weniger dogmatisch ist als religiöse Fundamentalismen. Sie zeigt, wie dieses Modell rassistische Migrationspolitiken und heteronormative Sexualpolitiken so miteinander verschaltet, dass Rassismus und Homophobie gerechtfertigt und sogar Folterpraxen als Instrumente des Fortschritts präsentiert werden.

Butlers philosophisches Argument, dass der abendländische Freiheitsbegriff zum Instrument des Zwangs und der Gewalt wird, ist eingebettet in konkrete politische Analysen, z.B. der Einbürgerungstests in den Niederlanden, des patriarchalen, nationalen Selbstverständnis in Frankreich, oder der Kriegspraxen der Bush-Administration im Irak und in Afghanistan. Eine Auseinandersetzung mit den Bildern sexualisierter Folterszenarien aus Abu Ghraib demonstriert die Spannweite ihres Arguments. Für die bundesdeutsche Debatte bieten Butlers Überlegungen vor allem im Hinblick auf den von Innenminister Schäuble jüngst initiierten „Dialog mit dem Islam“ und die Integrationspolitik kritische Anregungen.

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Foto: Christiane Stephan

Judith Butler ist Maxine Elliot Professor am Department of Rhetoric and Comparative Literature an der University of California, Berkeley. Die Philosophin, die sich durch ihre Arbeiten zu poststrukturalistischer Subjektkritik auszeichnet, ist international bekannt durch ihre dezidierten Beiträge zur feministischen Theorie und zur Queer Theory. In Deutschland haben ihre Bücher „Das Unbehagen der Geschlechter“ und „Körper von Gewicht“ bereits Anfang der 1900er engagierte und kontroverse Debatten ausgelöst. Erstmals ist auf dem Hintergrund dieser Bücher im breiteren Rahmen diskutiert worden, welch zentrale Bedeutung normative Heterosexualität und rigide Zweigeschlechtlichkeit für die Ausbildung einer sozial verständlichen Subjektivität haben – und welche Zwänge und Ausgrenzungen damit einhergehen.
In ihren jüngeren Publikationen befasst sie sich mit Gewalt, insbesondere mit der Gewalt, die es bedeutet, jemandem den Status des Menschlichen abzusprechen. Dass dies im Kontext internationaler Politik bedeutsam ist, verdeutlicht sie in dem Buch „Precarious Life / Gefährdetes Leben“ (2003), mit dem Butler auf die Ereignisse des 11. September reagiert. Die Aufsatzsammlung „Undoing Gender“ (2004) stellt die Frage nach politischen Handlungsmöglichkeiten unter Bedingungen der Gewalt, eine zentrale Frage ihrer aktuellen geschlechter- und sexualpolitischen Überlegungen, die, wie sie im Vortrag deutlich macht, unmittlebar verknüpft ist mit der Verankerung von Rassismus und Eurozentrismus in westlich-abendländischen Gesellschaften.

Jüngste Veröffentlichungen
Kritik der ethischen Gewalt, Frankfurt/M. (Suhrkamp) 2003; in English: Giving an Account of Oneself. A Critique of Ethical Violence, New York (Fordham UP) 2005
Undoing Gender, London / New York (Routledge) 2004
Precarious Life. The Powers of Mourning and Violence, London (Verso) 2003. Aus dem Amerik. von Karin Wördemann: Gefährdetes Leben. Politische Essays, Frankfurt./M. (Suhrkamp) 2005

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Foto: Christiane Stephan

Mitschnitt des Vortrags auf Radio FSK
– Freies Sender Kombinat Hamburg: www.fsk-hh.org
Montag, 2. Juli, 14 bis 16 Uhr.
Sonntag, 29. Juli 13-15 Uhr
radiofrequenz: 93,0
oder 101,4 im kabel

Der Vortrag kann als Audio/Video-Version auf DVD gegen Unkostenbeitrag/Spende bestellt werden: mail(at)queer-institut.de

Außerdem > Judith Butler im Interview mit Nina Schulz
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Der Vortrag ist Teil des iQt-Veranstaltungskonglomerats Sexualpolitiken, Recht und Repräsentation, das im Sommersemester 2007 an verschiedenen Orten in Hamburg stattfindet.

Gefördert durch: Frauenförderung der Universität Hamburg, Gemeinsame Kommission Frauenstudien/Frauenforschung und private Spenderinnen.
In Kooperation mit Umdenken. Politisches Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V. (www.umdenken-boell.de)